„Selbstverständlich können wir Outfits individuell gestalten, von Matrosenanzügen bis hin zu Abendkleidern – wir haben alles. Welchen Stil Sie auch wünschen, wir können ihn für Sie kreieren“, antwortete die Kundendienstmitarbeiterin schnell und professionell.
Auf der Gutdolls-Website suchte ich mir ein Outfit für eine Silikonpuppe aus. Es fühlte sich an wie Puppen anziehen in der Kindheit, nur viel intensiver, als würde es eine unausgesprochene Fantasie von Erwachsenen andeuten. Schließlich entschied ich mich für ein kariertes Retro-Kleid, weil es mich an eine Klassenkameradin erinnerte, in die ich einst verliebt war. Technologie simuliert nicht nur Berührungen, sondern trägt auch unsere intimsten Gefühle und Erinnerungen in sich. Dieses personalisierte Outfit, wie eine weiche Hülle, sollte diese Transaktion eher wie eine Beziehung wirken lassen.
In einer anderen Ecke der Website fiel mir eine Pop-up-Werbung ins Auge: „‚Shared Sweetheart‘-Programm – Genießen Sie vielfältige Begleitung ohne horrende Kosten.“
Aufblasbare Puppen zum Teilen? Mein Finger schwebte über dem Mauszeiger, ein komplexes Gefühlschaos tobte in mir.
Es klang absurd und logisch zugleich. Heutzutage lässt sich alles teilen, von Fahrrädern bis hin zu Powerbanks – jetzt sind unsere engsten Vertrauten an der Reihe. Das wirft ein bezeichnendes Licht auf die moderne menschliche Psyche: die Sehnsucht nach Nähe gepaart mit der Angst vor Verantwortung; das Streben nach Neuem, gebremst durch Budgetbeschränkungen. Für weit weniger Geld als den Kaufpreis kann man Stunden oder sogar eine Nacht mit einem makellosen, bedingungslosen „Körper“ verbringen. Die Plattform verspricht „professionelle Desinfektion und Wartung“ und garantiert so, dass jede „Begegnung“ sicher und unbeschwert ist.
Das klingt nach einem perfekten Geschäftsmodell, doch ich kann mir verschiedene Szenarien ausmalen:
Ein einsamer Programmierer mietet sich spät abends ein, vielleicht um einfach nur gemeinsam einen Film zu schauen und sich unausgesprochene Gefühle anzuvertrauen. Ein Mann, der kürzlich Liebeskummer hatte, sucht hier Trost oder will einfach nur seinen Ärger und seine Trauer loswerden. Und dieselbe Frau wird innerhalb von 24 Stunden von verschiedenen Menschen mit unterschiedlichen Wünschen und Einsamkeiten in verschiedene Rollen versetzt. Sie ist ein Behälter, eine Projektion, ein sorgfältig gefertigtes Werkzeug, das immer wieder vermietet wird.
Maßgeschneiderte Kleidung zielt darauf ab, ein einzigartiges Gefühl von Exklusivität zu schaffen; Sharing-Dienste hingegen dekonstruieren diese Exklusivität und machen sie zur Ware. Durch Personalisierung erklären wir: „Das gehört mir“, doch durch das Teilen verleugnen wir unsere Einzigartigkeit.
Dies ist vielleicht die treffendste Metapher für unsere Zeit: Mehr denn je sehnen wir uns danach, tief verstanden und als einzigartige Individuen wertgeschätzt zu werden; gleichzeitig gewöhnen wir uns aber zunehmend daran, andere, selbst intime Beziehungen, als standardisierte Dienstleistungen zu behandeln, die man mieten, ersetzen und teilen kann.
Wenn Kleidung personalisiert und Körper geteilt werden können, was gewinnen wir letztendlich – wahre persönliche Freiheit oder die trostlose Landschaft der Einsamkeit und Entfremdung im modernen Leben? Die Antwort mag still in jenem Raum liegen, nach jeder Benutzung gründlich desinfiziert, bereit, den nächsten Kunden zu empfangen.
